dieGlucke: Conny Wischhusen, eine Palast-Produktive
Das Online-Magazin dieGlucke.de hat ihre Redaktion in den Palast der Produktion verlegt und berichtet über Kreative und ihre Projekte hier im Blog und auf www.dieglucke.de. Heute das Porträt einer der Teilnehmerinnen.
Im Palast der Produktion ist es zehn vor Sieben. Immer. Um 18.50 Uhr war am 16. Dezember 2009 Schluss mit der Stromversorgung für die zentral gesteuerte Zeitengebung in der Sortierung der ehemaligen Bremer Wollkämmerei. Als Druckobjekt von Conny Wischhusen wird diese Uhrzeit gespiegelt, gedreht und setzt im ganzen riesigen Gebäude neue Zeit-Akzente. Zehn nach Fünf oder Viertel vor 12. „Wir drehen hier am Rad der Zeit, setzen Impulse, das ist es, was Kunst, was dieses Projekt für mich ausmacht.“
Linoldruck: Kunstwerk auf dem Boden
Conny Wischhusen ist inspiriert, sie sprüht vor Ideen (besonders) seit sie im Blumenthaler Projekt arbeitet, die Umgebung, das Gebäude, die Geschichte und die Menschen vor Ort treiben sie an. Sie arbeitet intensiv und effektiv, setzt sich thematisch auseinander und würde am liebsten hier bleiben: „Die Wollkämmerei ist der ideale Platz für eine Werkstatt, ein Atelier, hier möchte ich weiter arbeiten“. In ihrem Raum im 2. Obergeschoss, einem ehemaligen Büro, hat sich Conny Wischhusen mit ihren Eisen dem Linoleum-Boden gewidmet. Das extrem harte Material hat ihr einige Mühe bereitet, das Arbeiten auf der Erde war auch eine körperliche Herausforderung, doch ein großer Druckabzug und etliche Teildrucke daraus sind entstanden, Strukturen, Formen, mit Bezug zur Wollkämmerei. Auch ihr Bodenbild (zu sehen im Raum 3.04) und die daraus erwachsenen Werke greifen die Welt der Wolle, der Fäden auf, sortiert, nicht sortiert, geordnet, ungeordnet, geknotet, lose. Faszinierende ja, doch nicht immer schön, das gerade ist ihr Motto: Kunst kann nicht schön sein. Doch Kunst spiegelt für sie immer das Leben wieder.
Gutscheine, die abgelaufen sind und Verpackungen mit Leerstand gefüllt
Entsprechend breit ist ihr Themenbereich, mit dem sie sich künstlerisch auseinandersetzt. Zum Klimawandel hat sie als Einzelkünstlerin oder mit Jugendgruppen anleitend, begleitend gearbeitet. Gesellschaftskritische Seitenhiebe versetzt sie mit Installationen zum Frauenbild oder z.B. einer kleinen, bissigen „Gutscheinaktion“, bei der sie abgelaufene Gutscheine verschenkt und die Methoden der Werbeindustrie anprangert, die dazu verleiten zu viel zu konsumieren. Alles hübsch verpackt, erst der zweite Blick offenbart die Botschaft (s. Fotos). Auch bei ihrer Installation in einem verlassenen Laden in Bremerhaven zum Thema Leerstände. In den Regalen stehen leere Kartons, durch ein Sichtfenster fällt der Blick auf Fotos leerstehender Läden aus derselben Straße. Passanten wollten gerne in ihrem Laden etwas kaufen, die Aktion hat erreicht, die Menschen für Widersprüche im Leben zu sensibilisieren. Und bei einem weiteren Projekt hat es funktioniert, dass Leerstände durch Kreative belebt werden: Zusammen mit drei anderen Frauen stellte sie einen Kunstraum im Leerstand zur Verfügung, über drei Jahre bestand die Galerie, die sehr gut von Bremerhavener Künstlerinnen und Künstler genutzt wurde.
Neustart im Palast der Produktion
Jetzt also eine Atelier für vier Wochen im Palast der Produktion. Die gebürtige Bremerhavenerin und gelernte Erzieherin lebte von 1984 bis 2000 in Berlin, ging dann zurück nach BHV. Gerade ist sie nach Bremen umgezogen und nutzt das Projekt in Blumenthal für ihren Neustart, auch für Gedankenspiele, wo und mit wem sie sich künftiges Arbeiten vorstellen kann. Sie vernetzt sich, sortiert sich neu, würde am liebsten hier weiter arbeiten, in der inspirierenden Umgebung mit gleich gesinnten Menschen. In der letzten Projektwoche arbeitet sie an ihren Werken für die Gemeinschaftsausstellung unterm Dachgeschoss: 18:50 heißt die Ausstellung. Auch die Uhr unterm Dachgeschoss zeigt die ominöse Zehn vor Sieben. Spannend, welche Zeit auf Conny Wischhusens Uhren zu sehen sein wird. Zu bewundern sind ihre und die Werke anderer Projektteilnehmerinnen sowie alle Räume im Palast der Produktion ab Samstag, den 14. Juli 2012 ab 12 Uhr. Wirklich 12 Uhr.